Der Film „Kongo – Im Reich der Stille“ des Belgiers Thierry Michel von 2021 kann derzeit in der arte-Mediathek abgerufen werden.
Er zeigt und erklärt die Hintergründe der nahezu kontinuierlich tobenden Kriege in der Demokratischen Republik Kongo. Sie begannen Mitte der 1990er-Jahre und gingen nach dem Sturz des Langzeit-Diktators Mobutu 1997 mit kurzen Unterbrechungen immer weiter. Ein Ende ist nicht in Sicht.
https://www.arte.tv/de/videos/107183-000-A/kongo-im-reich-der-stille/
Seit vor ein paar Wochen die Miliz M23 große Teile des Nordwestens erobert hat und weiter vorrückt, wird über das Land erneut berichtet – allerding nur sehr spärlich im hinteren Teil der aktuellen Nachrichten. Dabei haben die seit Jahrzehnten stattfindenden Massaker auch etwas mit den Wirtschaftsinteressen der Industrieländer zu tun. Eine der Ursachen für den Dauerkonflikt liegt in den Begehrlichkeiten, die die Bodenschätze der DR Kongo wecken: Edelmetalle und seltene Mineralien wie Coltan, das unter anderem zur Herstellung von Mobiltelefonen benötigt wird. Wir alle tragen somit ein bisschen Kongo mit uns herum.
Michels Film zeigt nicht nur auf erschütternde Weise, was die offizielle Armee, die diversen Warlords und ihre Milizen der Bevölkerung antun. Er analysiert auch das schmutzige Spiel der Herrscher aus den Nachbarländern, die mit ihren Truppen beim Krieg um die Rohstoffe mitmischen, insbesondere Ruanda und Uganda. Auch die üble Rolle der UN ist Thema, deren Friedensmission seit 1999 keinen Frieden brachte. Trotz Tausender Blauhelme im Land mordeten die Milizen weiter. Dorfbewohner wurden massakriert nur einige Hundert Meter von einem UN-Camp entfernt.
Michels Recherchen stützen sich auf den sogenannten „Mapping Report“ der UN, der die zwischen 1993 und 2003 begangenen Kriegsverbrechen und Namen der Täter dokumentiert. Der Bericht wurde aus politischer Rücksicht nicht offiziell veröffentlicht, kam aber durch ein Leak zur Redaktion „Le Monde“ und wurde dadurch bekannt. Bis heute laufen fast alle der ermittelten Massenmörder, Menschenquäler, Folterer und Vergewaltiger frei herum, manche im Rang eines Generals der derzeitigen Regierung.
Viele dürfte es überraschen, welche Rolle der vom Westen hofierte Paul Kagame, seit 25 Jahren Präsident Ruandas, dabei spielt. Der Völkermord der Hutu an der Volksgruppe der Tutsi 1994 mit circa 800.000 Toten wurde damals von Kagames Truppen beendeten. Seither schickte er zunächst als Verteidigungsminister später als Präsident immer wieder ruandisches Militär in die DR Kongo, um die dorthin geflohenen Täter zu verfolgen. Doch das ruandische Militär tötete nicht nur die Schuldigen, sondern Tausende Hutu-Zivilisten allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Während der Genozid von 1994 immerhin im Weltgedächtnis blieb, ist dieser Rachefeldzug kaum bekannt. Parallel zum ethnischen Konflikt verfolgt Kagame in der DR Kongo ökonomische Interessen. Gold und Coltan werden nach Ruanda gebracht und von dort auf dem Weltmarkt verkauft. Das verschafft dem Regime in Kigali Millioneneinnahmen.
Beim Betrachten von Thierry Michels Dokumentarfilm wird auch deutlich, wie selektiv deutsche Medien vom Weltgeschehen berichten. Ein Konflikt, der seit Jahrzehnten so viele Todesopfer fordert wie kein zweiter, ist hierzulande fast unbekannt. Vermutlich sind die Gorillas des Kongo-Regenwaldes in Deutschland bekannter, als Nachrichten über dieses blutigste und grausamste Schlachtfeld der Welt. Ein kurzer Vergleich der Todeszahlen:
Kongokriege seit 1998: Über 5.000.000 Tote
Vietnamkrieg: Über 1.500.000 Tote
Syrischer Bürgerkrieg: Über 500.000 Tote
Krieg im Sudan: Über 60.000 Tote
Gaza-Krieg: 42.000 Tote
(nach Angaben der Hamas, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheidet)
Die Statistik steht in einem befremdlichen Gegensatz zum Gewicht in der Berichterstattung. Während oftmals sogar über den Tod einzelner Hamas-Kämpfer berichtet wird, die in Gefechten mit der Israelische Armee starben, schaut die Medienwelt weg, wenn weiter südlich Millionen Zivilisten auf grausamste Weise massakriert werden.
Warnung: Wer nicht an extrem grausame Bilder gewöhnt ist, sollte sich von dieser Dokumentation nur die Tonspur anhören. Was Thierry Michel zeigt ist so unerträglich wie die berühmten Aufnahmen von der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen. Teilweise sind es Sequenzen, die Täter mit ihren Smartphones filmten, so wie die Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023.