FAKT war in den 1960er-Jahren ein Waschmittel

Sorry, aber Fakten muss man schon selber checken

Von Michael Miersch

Die Aufregung ist groß, weil Zuckerberg und Co. die institutionalisierte Faktencheckerei abwickeln. Haben Faktenchecker-Agenturen wie Correktiv der Wahrheitsfindung gedient? Eher im Gegenteil. Man sollte das Überprüfen von Tatsachen nicht Aktivisten überlassen, die sich dazu berufen fühlen. Die gute Nachricht: Selbst Fakten zu checken, war noch nie so einfach wie heute

Man kann darüber streiten, wie wichtig oder unwichtig eine Tatsache ist, wie man sie einordnen sollte, ob man sie gut findet oder schlecht, welche Lehre man aus ihr zieht und um vieles mehr. Aber nicht, ob sie existiert. Eine Tatsache (auch Fakt genannt) ist immer real, sonst wäre sie keine. Wer behauptet, es gäbe sie nicht, ist er ein Lügner oder dumm. Die Leugnung des Faktischen durch totalitäre Mächte war das Lebensthema George Orwells. In seinem letzten Roman wird ein Mensch zerstört, weil er auf dem Faktum beharrt, dass 2 + 2 stets 4 ergibt. Der Behörde, die ihn foltert, heißt Wahrheitsministerium.

Da es leider reichlich Lügner und Dummköpfe auf der Welt gibt, muss man Fakten checken, also überprüfen, ob eine behauptete Tatsache, tatsächlich eine solche ist. Was manchmal durch einfache Beobachtung möglich ist („Regnet es draußen?“) und manchmal profunde Kenntnisse und Recherche erfordert („Ist die Erde rund?“).

Nun gibt es neben Lügnern und Dummköpfen eine weitere Kategorie von Menschen, die sich schwer tun mit den Tatsachen. Die meisten von uns gehören dazu: Wir akzeptieren manche Fakten gern und andere weniger gern. Dass es vielen so geht, konnte ich im Laufe meines beruflichen Werdegangs als Journalist hundertfach feststellen. Bei einigen Medien, für die ich arbeitete, gab es die Abteilung Dokumentation. Damals wurden die Faktenchecker noch Dokumentare genannt. Ich schrieb viel über Umweltthemen. Ging ich zum Dokumentar mit einem Text, der den gängigen Annahmen entsprach (Wir werden alle vergiftet. Die Industrie bringt uns um. Alles wird immer schlimmer) verlief der Faktencheck kurz und schmerzlos. Meistens wurde gar nicht nachgefragt. Es hätten die dicksten Falschbehauptungen drinstehen können. Ging die Tendenz des Artikels jedoch in die andere Richtung, konnte schon mal ein ganzer Arbeitstag dafür draufgehen, dem Dokumentar haarklein nachzuweisen, dass alles wasserdicht ist. Ich bin den Dokumentaren bis heute dankbar dafür. Denn so musste ich doppelt sorgfältig arbeiten, was die Texte besser machte.

Auch die heutigen Faktenchecker sind keine Bollwerke journalistischer Objektivität. Das kann man ganz einfach an der Vielzahl nachweislich falscher Behauptungen sehen, die seit Jahr und Tag in Fernsehen, Radio, Zeitschriften und Social Media kolportiert werden, ohne dass einer der Faktenhüter Anstoß daran nähme. Beispiele aus meinem Medienkonsum 2024/25: Leberverfettung wird vom Klimawandel befördert (DeutschlandFunk), die Honigbienen sterben aus (ARD), Glyphosat sei eine tödliche Gefahr für Menschen (arte), Gentechnik eine Ökokatastrophe (Bayerischer Rundfunk). Seit Jahrzehnten verbreiten fast alle großen Medien entgegen den Tatsachen und immer wieder aufs Neue: Elektroautos seien umweltfreundlich; Deutschland könne den globalen Klimawandel stoppen; täglich stürben 150 Arten aus; es gäbe immer mehr Wetterkatastrophen. Glücklicherweise leben wir in einer freien Gesellschaft. Daher ist es nicht schwer, herauszufinden, dass es sich bei diesen Behauptungen, die mit der Zeit zum „conventional wisdom“ wurden, nicht um beweisbare Tatsachen handelt. Es gibt genügend Bücher, Fachartikel und auch Texte in Publikumsmedien, die den Wahrheitsgehalt dieser Pseudofakten akribisch untersucht haben. In den Faktencheck-Agenturen werden sie offenbar kritiklos geglaubt.

Ein weiterer Klassiker dieser Kategorie ist die vom ZDF und anderen Leitmedien noch zehn Jahre nach dem Unfall verbreitete Lüge, durch die Havarie des Atomkraftwerks von Fukushima seien Zehntausende Menschen ums Leben gekommen. Diese krassen und teils völlig absurden Falschbehauptungen und noch Dutzende weitere blieben bei den fleißigen Faktencheckern unbemerkt. Warum wohl? Die Erklärung, dass hier Weltanschauung der Wahrheitssuche im Wege seht, ist zwar keine beweisbare Tatsache. Aber doch ziemlich wahrscheinlich. Während sich Politiker und Medienvertreter über die Manipulationsversuche von Rechtspopulisten öffentlich empören, arbeiten ganze Netzwerke von klimaaktivistischen Faktenverdrehern daran, das Online-Lexikon Wikipedia oder die Geschäftskontakt-Plattform LinkedIn zu manipulieren. Aus Sicht der Innenministerin schützen Facktenchecker die demokratische Öffentlichkeit vor Putins Trollfabriken, Trumps Lügenbaronen und Höckes Hetzern. Man ist hoch sensibel gegen Falschbehauptungen über Migration. Verschließt aber die Augen vor den Trollen mit grüner Agenda.

Auch ich bin einmal in den Fokus einer solchen Agentur geraten. Die Faktenchecker-Website „Klimalügendetektor“ stellte ein Interview an ihren Pranger, welches BILD-Online mit mir geführt hatte. Dieser Lügendetektor gehört zum Online-Magazin „Klimareporter“ (früherer Name: Klimaretter), das bei vielen Medien weiterhin als seriöse Quelle gilt, obwohl die Einseitigkeit und die Verbindungen Energiewende-Industrie offensichtlich sind. Das Vertrauen auf Aktivisten, die sich zum Faktenchecken berufen fühlen, führt sanft und schleichend zu einem europäischer Informationsfilter, der nur noch durchlässt, was auf evangelischen Kirchtagen Zustimmung erhalten würde. Es ist von den Bürgerinnen und Bürgern freier Länder nicht zu viel verlangt, selbst zu entscheiden, was sie glauben und was nicht. Und dass sie auch ihren Kindern vermitteln, wie wichtig es fürs Leben ist, wahr und unwahr unterscheiden zu können. In der Regierungszeit von Willy Brandt war oft von einem „mündigen Bürger“ die Rede. Heute scheint ein Teil der politischen Klasse die Bürger für betreuungsbedürftige Volltrottel zu halten. Auf einige trifft das sicherlich zu. Aber in einem Land mit ständig steigender Abiturientenquote sollte es möglich sein, Menschen zu Kritikfähigkeit zu ermuntern, statt sie mit vorsortierten Informationen abzuspeisen.

Im Grunde ist es doch nicht schwer, der Wahrheit näher zu kommen. Für eine alltagstaugliche Orientierung muss niemand jeden Facebook-Post einer wissenschaftlichen Analyse unterziehen. Es reichen ein paar einfache Haushaltsregeln. Zum Beispiel einem Bild oder einem Video niemals zu trauen, wenn dazu keine Quelle angegeben ist. Wenn Orts- und Zeitangabe fehlen, unklar bleibt, was die Aufnahme eigentlich konkret beweisen soll und was außerhalb eines engen Bildausschnittes geschah. Warum muss ich jetzt gerade an das Jahr 2017 denken, als die deutschen Publikumsmedien das Video eines abgemagerten, alten Eisbären zum endgültigen Beweis für die nun eintretende Klimaapokalypse erklärten?

Ein anderer hilfreicher Check für jedermann ist es, mal nachzusehen, wie der Absender einer Nachricht über Dinge berichtet hat, die man selbst beurteilen kann, weil man sich auf dem Gebiet gut auskennt oder das Ereignis selbst erlebt hat. Oder – wenn man eine Fremdsprache kann – einfach mal schauen, wie in anderen Ländern über die jeweilige Sache berichtet wird. Und nicht von vornherein die Ohren verschließen, wenn Kritik von der falschen Seite kommt. Manchmal liegt auch die falsche Seite richtig und die eigenen Gesinnungsfreunde irren. Dank Internet ist die Recherche für jedermann heute um Dimensionen leichter als jemals in der Geschichte. Man muss sich ein kleinwenig dafür anstrengen, erspart sich jedoch eine Menge überflüssiger Sorgen über vermeintliche Skandale, fiktive Verschwörungen und Weltuntergänge, die nicht eintreten. Das Bestreben, seriös von unseriös zu unterscheiden, brauchte man schon früher in der Buchhandlung, am Zeitungskiosk und der an der TV-Fernbedienung. Mündigen Bürgern kann man das auch in Zeiten von Social Media zumuten. Und mit denen, die dazu nicht in der Lage sind, sollte man argumentieren, statt zu zensieren.

PS: Was Kinder angeht, liegen die Dinge völlig anders. Für die Kinder krank machende Wirkung von Tiktok, Istagram und Co. liegen genügend Beweise auf dem Tisch. Doch das ist eine andere Debatte, in der es nicht um Faktencheck geht. Sondern um die Frage, wie man eine Flut stoppen kann, die via Social Media Psycho-Müll in Kinderzimmer spült.