Auch ich bin ein Flüchtling

Von Michael Miersch

Wenn in Europa die Kriterien des UN-Palästinenser-Hilfswerkes UNRWA gelten würden, wäre ich ein Flüchtling – sogar dreifach. Diese Erkenntnis verdanke ich einem Artikel von Christine Brinck in der WELT. Meine Großeltern mütterlicherseits flohen im Ersten Weltkrieg aus dem östlichen Polen, das damals zum Zarenreich gehörte, nach Pommern. Im Zweiten Weltkrieg floh die Restfamilie von Pommern nach Westen. Meine Eltern ließen sich in Berlin nieder, von wo sie 1950 wiederum abhauen mussten.

Nach dem Modus des UNRWA wären auch meine Kinder Flüchtlinge, deren Kinder usw. Allerdings hatte ich mein Leben lang nie den Gedanken, Flüchtling zu sein. Nicht einmal meine Eltern und Großeltern machten Aufhebens um ihren Heimatverlust, sondern schickten sich an, auf dem schnellsten Wege Teil der westdeutschen Gesellschaft zu werden.

1949 im ersten israelisch-arabischen Krieg wurden 750.000 Araber vertrieben oder verließen ihre Dörfer freiwillig. Mittlerweile hatten diese Menschen so viele Nachkommen, dass nun 5,7 Millionen als Flüchtlinge gelten. Allein den Palästinensern wird ein erblicher Flüchtlingsstatus zuerkannt. Sonst keinem der 30 Millionen aus ihren Heimatländern geflohenen, die es momentan auf der Welt gibt. Und leider auch mir nicht. Dabei hätte ich gar nichts gegen ein bisschen Kohle von der UN.