Föderale Konfusion

Von Michael Miersch

Die Seuche stellt das Elend des deutschen Föderalismus bloß. In der Bildungspolitik wurde die Länderkonfusion jahrzehntelang als gegeben hingenommen. Jetzt ist nicht mehr zu bemänteln, wie abwegig es ist, dass in 16 Ländern kaum koordinierte, zuweilen sogar widersprüchliche, Entscheidungen getroffen werden.

Als 1949 die föderale Struktur für den Westen festgeschrieben wurde, war die Bundesrepublik ein anderes Land. Ferngespräche am Telefon waren schwierig und teuer. Für eine Reise von München nach Frankfurt musste man einen Tag einplanen. Wenn man einmal jemanden ganz schnell benachrichtigen wollte, schrieb man ein Telegramm, das dann der Postbote an die Haustür brachte. Die meisten Menschen in Schleswig-Holstein kannten kein bayerisches Weizenbier und in Filmkomödien irrten lederbehoste Bayern völlig verstört durch Hamburg. Wenn man 2021 Freitags oder Montags im ICE von Berlin nach München (oder umgekehrt) fährt, sitzen dort Passagiere, die in der einen Stadt wohnen und in der anderen arbeiten. Deutschland ist kleiner geworden. Zu klein für Krähwinkel-Politik.

In alten Westernfilmen ging es oft darum, dass der Scherriff die Banditen nicht mehr verfolgen durfte, wenn sie es über die Grenze in einen anderen US-Bundesstaat geschafft hatten. Das kam einem damals absurd vor. Heute erzählte mir ein Freund aus Hamburg, dass dort die Bezirksgesundheitsämter, wenn sie die Kontaktpersonen eines Covid-19-Infizierten nachverfolgen wollen, dies nur innerhalb des eigenen Bezirks dürfen.