Frank Stern glaubte, dass man die DDR reformieren und einen freien, freundlichen Sozialismus aufbauen könne. Weil er das gelegentlich auch laut sagte, wurde der Magdeburger Student 1981 in der Universität verhaften und ins Gefängnis gesteckt. Nach zwei Jahren Haft beschloss die Staatssicherheit ihn gegen Westgeld in die Bundesrepublik zu entlassen. So verfuhr die DDR damals mit 32.000 unbotmäßigen Bürgern, für deren Freilassung die Bonner Regierung 3,3 Milliarden D-Mark zahlte.
Fast ein halbes Jahrhundert später besucht Stern die Handlungsorte seiner Kindheit und Jugend erneut: Campingplätze, Kasernen, Gefängnisse, Jugendclubs, Stätten bildungsträchtiger Schulausflüge. Er schaut sich an, was davon übrig blieb und erinnert sich. So ist eine ungewöhnliche Mischung entstanden aus launiger Reisereportage und autobiographischen Schlaglichtern. Die prägnante Kürze der Erinnerungen macht sie umso eindrucksvoller. Gerade noch schmunzelt man über Sterns spöttische Anmerkungen zur Architektur oder Anekdoten aus der jeweiligen Stadtgeschichte, schon wird man ohne Vorwarnung Zeuge, wie er nach dem Mauerfall den Stasi-Mann konfrontiert, der ihn monatelang verhörte.
Stern schildert ohne Bitternis, ohne Zynismus, ohne Larmoyanz seine Erfahrungen mit der Diktatur, an deren Verbesserungswürdigkeit er eine Jugend lang glaubte, um schließlich erst eingekerkert, dann rausgeschmissen zu werden. Im Gegenteil: Mit feiner Ironie zeigt er immer wieder, dass die Geschichte des Landes zwischen Ostsee und Erzgebirge zwar leidvoll war, aber durchaus auch komische Seiten hatte. Und das nicht erst seit dem Murksismus der SED, sondern schon zu Luthers Zeiten. Wer gern mal Städtetouren in die fünf östlichen Bundesländer unternehmen möchte, dem sei Sterns Buch als überaus kundiger Reiseführer empfohlen.
Einmal Osten und zurück
Streifzug durch mein fremdes Land
Telescope Verlag, Mildenau 2023
124 Seiten, 12,90 Euro