Spree

Die Reste vom Fest dümpeln in der Spree (Foto: M.Miersch)

Friedlich feiern die Ostasiaten

Von Michael Miersch

Millionen Migranten feierten friedlich Silvester. Nicht „Männer“ und auch nicht „junge Männer mit Migrationshintergrund“ haben Spaß an Gewalt und Zerstörung – sondern eine spezielle Teilgruppe.

Nach den diesjährigen Silvesterkrawallen wirken die gleichen politischen Reflexe wie immer. Die einen warnen vor Pauschalisierung, Stigmatisierung und Diskriminierung. Die anderen sehen sich bestätigt in ihrem Ressentiment gegen Migranten, Flüchtlinge oder gleich alle Ausländer. Leitmedien vollführen argumentative Pirouetten: Schuld sind die Feuerwerkskörper. Zuschauer und Leser haben gelernt, um welchen Personenkreis es geht, wenn von „Männergruppen“ ohne weitere Spezifizierung die Rede ist. Mit ihrem Fokus auf das Geschlecht (Männer) erweisen sich die Anti-Pauschalisierer als besonders grobe Pauschalisierer.

„Junge Männer mit Migrationshintergrund“ ist die konkreteste Beschreibung, die die Berichterstatter zulassen. Genauere Bezeichnungen wie „arabisch“, „nordafrikanisch“, „albanisch“, „afghanisch“ oder „türkisch“ werden penibel vermieden. Doch ist es der „Migrationshintergrund“, der junge Männer dazu bringt, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute anzugreifen?

In Deutschland leben über 230.000 Menschen aus Indien und Sri Lanka, von denen vermutlich etliche Diskriminierung erfahren haben, wenig Geld besitzen und in Jobs mit niedrigem Sozialstatus arbeiten müssen. Man hörte noch nie, dass sie randalierend durch die Straßen ziehen. Im Gegensatz etwa zu Marokkanern, von denen nicht halb so viele hierzulande wohnen (83.000) und die sich unter anderem auf der Kölner Domplatte 2015 einen nachhaltigen Ruf erwarben. Auch Libanesen (160.000) sind gegenüber den Menschen aus Indien und Sri Lanka in der Minderzahl. Vertreter dieser Einwanderergruppe tauchen jedoch weitaus häufiger in Polizeiberichten auf.

Es wird Zeit, dass die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung Ferda Ataman einmal die Millionen Migrantinnen und Migranten in Schutz nimmt, die friedlich Silvester feiern. Viele der in Deutschland lebenden 188.000 Vietnamesen, 115.000 Thailänder, der 450.000 Menschen aus den Ländern Afrikas südlich der Sahara, 871.000 Polen und eine Millionen Ukrainerinnen haben es genauso schwer in Deutschland wie die jungen Männer aus Westasien (wie neuerdings die offizielle Berliner Bezeichnung lautet) und Nordafrika. Ihr Migrationshintergrund war vermutlich ebenso prägend. Dennoch schießen sie nicht mit Feuerwerksraketen auf andere Menschen. Auch die 15.000 in Berlin lebenden Israelis sind Westasiaten und nicht dafür bekannt, Krankwagenfahrer zu attackieren.

Könnte es sein, dass das gewalttätige Gebaren einer speziellen (und glücklicherweise kleinen) Gruppe von Migranten nicht allein durch Migration, Armut und Diskriminierungserfahrungen erklärbar ist? Sondern auch durch kulturelle Eigenheiten, zum Beispiel einem archaisches Männlichkeitsbild, einem finsteren Ehrbegriff, ausgeprägter Aversion gegen Bildung und einer rassistischen Verachtung für alles, was nicht zum eigenen Kulturkreis gehört. Das nicht Thematisieren dieses besonderen Migrationshintergrundes wird die „Männer“ nicht friedlicher stimmen.