Frommer Wunsch

Von Michael Miersch

Wenn ich die Menschen ändern könnte, würde ich als erstes den Makel der Bedürftigkeit abschaffen. Dass man Bedürftigkeit peinlich verbergen muss, gehört zu den hässlichsten und unangenehmsten Dingen im Leben. Wer einen Kredit benötigt, tut so, als brauche er das Geld nicht. Wer dringend einen Job sucht, gibt vor etliche Alternativen zu haben. Wer sich nach Liebe sehnt, macht auf unabhängig, um nicht lästig zu wirken. „Denn wer da hat, dem wird gegeben“, heißt es in der Bibel. Diese Ungerechtigkeit konnte weder das Christentum noch der Sozialismus oder sonst eine Heilslehre beseitigen. Dass es so ist, erkennen die meisten Menschen in der Lebensphase, in der die Illusionen dutzendweise zerbröseln: am Ende der Kindheit.