Früher sprach man von Dritter Welt, von Entwicklungs- oder Schwellenländern. Die Kriterien dafür waren nicht immer ganz klar, aber eindeutig ökonomischer Natur. In woken, postkolonialen Kreisen benutzt man mittlerweile lieber die Bezeichnung „Globaler Süden‘“, wo angeblich Mitmenschlichkeit und Naturverbundenheit zuhause sind. Die Generaldirektorin der Documenta 15 betonte, auf der Kasseler Kunstschau die Perspektive des „Globalen Südens“ zu präsentieren. Wer gehört zu diesem „Globalen Süden“ und warum? Die südliche Lage auf dem Globus spielt offenbar keine Rolle, sonst würden Australien und Neuseeland dabei sein. Nimmt man als Kriterium, dass alle Nationen darunterfallen, die unter Kolonialismus gelitten haben, fällt auf, dass einige fehlen. Denn Länder wie Polen sind nicht mitgemeint, obwohl sie vom Deutschen Reich auf brutalste Weise kolonisiert und ausgebeutet wurden. Legt man Armut als Kriterium an, funktioniert der Sammelbegriff ebenfalls nicht. Denn manche arabischen Staaten werden zum „Globalen Süden“ gezählt, obwohl sie reicher sind als viele Länder des Nordens, die angeblich zu den Ausbeutern gehören. Als einzige Gemeinsamkeit bleibt nur die Hautfarbe übrig, um den „Globalen Süden“ zu definieren. So wie die Bezeichnung heute benutzt wird, gehören alle dazu, die afrikanisch, lateinamerikanisch, süd- oder ostasiatisch aussehen. Ein Begriff aus der Küche des woken Antirassismus.
Eines von 99 Stichwörtern aus dem Buch…
„Schöner Denken 2“
von Josef Joffe und Michael Miersch
Edition Tiamat
120 Seiten