Mit Relotius nach Utopia

Von Michael Miersch

Was haben der ideale Kommunismus und der mentale Orgasmus gemeinsam? Es gibt sie beide nicht. Sie existieren nur im Reich der Utopie beziehungsweise der Fantasie – was zuweilen das Gleiche ist. Hannes Stein gibt uns in seinem neuen Buch „Der Weltreporter“ eine Impression davon, wie es wäre, wenn es solche Unmöglichkeiten tatsächlich gäbe. Außer durch diese beiden Wolkenkuckucksheime reisen wir mit einem etwas obskuren Hamburger Reporter noch kreuz und quer durch zehn weitere Uto- und Dystopien, von der ultimativen Völlerei im Restaurant am Ende der Welt bis zur gemütlichen Münchner Räterepublik unter tropischer Sonne. Am Schluss erfahren wir sogar, was uns im Jenseits erwartet. Wohl zur Überraschung aller Glaubensfanatiker wird es von einer ziemlich tiefenentspannten Runde aus Religionsgründern von Moses bis Mohammed verwaltet.

In seine Erkundungen der Unwirklichkeiten fügt Stein immer wieder aktuelle Bezüge: von Trumps Niedergang bis zum Relotius-Skandal. Die Rahmenhandlung spielt während einer tödlichen Pandemie. Doch diesen Gegenwartsbezug habe er vorausgeahnt, beteuert Stein. Das Buch sei vor der Covid-19-Seuche beendet worden.

Eine Reise durch ideologische Luftschlösser und versponnene Traumwelten geführt von einem journalistischen Märchenerzähler – der manchmal durchaus sympathisch ist.

Hannes Stein: Der Weltreporter. Galiani Berlin. Erscheint am 11. Februar 2021