Putins Protz und Volkes Stimmung

Von Michael Miersch

Alexei Nawalny ist es gelungen, der russischen Oppositionsbewegung neuen Schwung zu geben. In 128 Städten wurde am 23. Januar 2021 gegen das Putin-Regime demonstriert. Viele Russen schlossen sich zum ersten Mal in ihrem Leben einem Straßenprotest an. Offenbar hat die neue Fokussierung der Nawalny-Opposition auf die feudale Protzsucht des Präsidenten mehr Menschen mobilisiert als die bisherigen Themen, Menschenrechtsverletzungen, politischen Morde und die immer strenger werdende Zensur. Putins Partei „Einiges Russland“ wird im Volksmund mittlerweile „Partei der Gauner und Diebe genannt“.

Wann wird eine intellektuelle Opposition zur Massenbewegung? Meistens wohl dann, wenn offensichtlich wird, dass die Herrschenden nicht nur Unterdrücker sind, sondern sich obendrein hemmungslos bereichern. Das war wohl meistens so in der Geschichte. Warum? Kleptokratien wie die Putins basieren auf Korruption, die alle Lebensbericht durchdringt. Korruption erschwert und verdirbt den Alltag der Menschen, ob sie es wollen oder nicht. Zensur und politische Repression dagegen spüren die meisten nur dann, wenn sie sich unvorsichtig äußern oder aktiv widersetzen.

Allerdings gibt es wie immer Ausnahmen von dieser Regel. Die Revolutionäre in der DDR hatten wenig Anlass, sich über Ausschweifungen der Bonzen aufzuregen. Denn die Parteiführung wohnte in Wandlitz nicht luxuriöser als westliche Mittelschichtler. Dennoch spürte man damals den starken Wunsch Honecker, Mielke und Co. als Krösusse darzustellen.